Wie im Beitrag „Wann kommt ihr endlich“ schon geschrieben, machten wir uns im September 2014 zum ersten Mal in unserem Leben auf in die Wildnis von Lappland – in die (relative) Nähe der Stadt Jokkmokk.
Maggi und Bengt hatten uns dafür ihr Wochenendhaus angeboten – gute 70 km westlich der Stadt. Klingt jetzt erst einmal völlig entspannt, oder? Fänd ich jetzt auch – aber dieses Haus ist nicht irgendein Wochenendhaus: Es erwies sich als der ungewöhnlichste Luxus, den wir je erlebt hatten!
Inwiefern? Das erzähle ich dir jetzt!
Urlaub mal ganz anders
Vorab wussten wir Folgendes über besagtes Wochenendhaus von Onkel und Tante:
- es gibt dort keinen Strom
- auch kein fließendes Wasser
- schon gar keine Zentralheizung, wie sie für uns alle Normalität ist.
Während Harald im Vorfeld kaum an sich halten konnte vor lauter Vorfreude, warf das schon einiges an Nervosität in mir auf. Und zwar ging es dabei im Wesentlichen um die Frage, wie ich damit klar kommen würde, alles andere waren für mich eher „Nebenschauplätze“:
- Kein Internet zu haben (ich bin ja nun sehr viel im Internet – allein schon beruflich).
- Keinerlei Geräusche in Form von z.B. TV oder Radio um mich zu haben, als die des Mannes und mir und der Natur.
- … und überhaupt 24/7 mit dem Mann in der Wildnis allein zu sein. Wir sind sehr unterschiedliche Charakterköpfe, durchaus mit Konfliktpotenzial geschlagen, wie ich hier erläutert habe: Über uns
Ich denke, es ist für dich nicht so einfach, dich aus dem Stehgreif im Hauruck-Verfahren in unsere „Haut“ damals zu versetzen, darum werde ich jetzt mal wieder etwas ausführlicher. Freundschaftlicher Tipp, falls du mich noch nicht von meinen Webseiten kennst: Da kannst du dich schon einmal dran gewöhnen. Ich neige zu wortreichen Ausschweifungen.
Hinter den Bergen bei den 7 Zwergen
Ja, mindestens so weit weg liegt das Kleinod der beiden. Um dorthin zu kommen, ist von der Stadt Jokkmokk aus eine Fahrtstrecke von gut 70 km zu bewältigen.
Ja, da ist durchaus so etwas wie eine Straße dorthin, aber Bilder sagen mehr als Worte:
Kurz gesagt: Solltest du etwas in Jokkmokk vergessen, wo auch das letzte Geschäft liegt, ist das reichlich dumm gelaufen.
Es ist sensationell auf dieser Straße zu fahren, sehr meditativ – quasi.
Das Haus selbst liegt direkt am Karatj-See, was nicht nur ein optisches Highlight ist, sondern auch noch sehr praktisch, wie sich zügig erweisen sollte.
Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste
Auf dem Weg vom eigentlichen Zuhause meiner Tante und meines Onkels zur Ferienbleibe, machten wir Station in Jokkmokk im Supermarkt, um noch einige notwendige Dinge einzukaufen.
Mir fiel auf einmal ein, dass wir ja noch etwas zu trinken haben müssten. Mein Onkel winkte ab: „Wasser gibt es da genug!“. Okay, super!
Endlich angekommen bekam ich Durst und bat um das Wasser. Mein Onkel wedelte nur lässig mit der Hand Richtung See: „Da ist doch unendlich viel Wasser!“
Ich war geschockt! WAS? Er erwartete von mir, Wasser aus einem See trinken?
Schlussendlich blieb mir aber nichts anderes übrig, als die Tatsache zu akzeptieren, dass ich hinter den Bergen bei den 7 Zwergen stand und der nächste Supermarkt gefühlt unerreichbar war. Wasser also aus dem See..
Aber zunächst ließ ich natürlich Harald probieren (ich bin schließlich keine kleine Dumme!) und als er sich nach zwei Stunden immer noch nicht am Boden wälzte, sondern sich eindeutig bester Gesundheit erfreute, war ich entspannt genug, ebenfalls das (übrigens unglaublich gute) Fjällwasser zu trinken…
Und ja: Un-ge-fil-tert!
Wir erkunden nun das Ferienhaus
Was ist denn daran jetzt – neben der wilden Natur Schwedisch Lappland – das Besondere? Also zunächst mal an der Bleibe (über den Urlaub an sich reden wir noch in epischer Breite!). Akzeptable Frage!
Vorab: Mir ist ganz wichtig zu betonen, dass dieses Häuschen erst wenige Jahre alt ist – also auf relativ „freshem“ Stand. Was du wirklich brauchst, ist da – du musst das nur erst einmal in deinem verwöhnten Kopf begreifen!
Wir haben gewisse Ansprüche an unser Leben und das hört im Urlaub ja auch für uns nicht auf. Du willst was, ich will was (Harald ist da etwas entspannter). Wir sehen uns das zusammen an…
Du willst...
… Licht haben, wenn es draußen dunkel wird?
Kerzen sind mehr als Gemütlichkeit – sie sind auch eine alternative Lichtquelle. Das wussten wir natürlich schon vorher, aber wir konnten uns wenig darunter vorstellen, ganze Abende bei Kerzenlicht zu verbringen. Vor allem dann nicht, wenn es nicht um Romantik, sondern um Alltag gehen sollte.
Darüber hab ich mir zu viele Gedanken gemacht vorher. Denn die die Kombination aus a) den ganzen Tag an der frischen Luft (Natur genießen), b) knackiger Ofenwärme und c) Kerzenlicht führt dazu, dass du dem eigentlich natürlichen Tag-Nacht-Rhythmus folgst. Zu Zeiten, wo du dich in Deutschland nach der Tagesschau erst für den Krimiabend warmläufst, waren wir schon bettbereit. Und es fühlte sich so natürlich an.
… Wärme im Haus?
Hier sind zwei bewährte Möglichkeiten:
- Zieh dich warm an! Und das ist keine Floskel. Zieh dich einfach mal warm an.
- Mach ein Feuer im Ofen! Im Haus steht ein kleiner Ofen. Dazu muss natürlich brennbares Holz in gescheiter Größe vorliegen. Lange genug abgelagert war es, aber zusätzlich verlangt es für ein gescheites Feuerchen a) Spaltholz zum Anzünden und b) noch kleineres, hoch brennbares Material zum ersten Entzünden. Wir haben gelernt, dass die Pelle (Rinde) von Birken dazu sehr, sehr gut geeignet ist. Und doch: Kannst du Feuer machen?
… „some entertainment“?
Wenn die gewohnte Abendberieselung wegfällt, wirst du automatisch mehr lesen oder vor dich hin in die Landschaft zu schauen oder dich mit deiner besseren Hälfte (sofern dabei) unterhalten. Stundenlang! Tagelang!
Du siehst mehr, du hörst mehr, du achtest mehr auf alles um dich herum. Gleichzeitig wird das Leben lockerer, geschmeidiger und vieles von dem, was einen Zuhause unendlich stresst, wird auf einmal unglaublich egal.
… Warmwasser?
Wenn du warmes Wasser brauchst, hast du genau 2 praktikable Möglichkeiten:
- Stell einen Topf mit Wasser auf den Ofen und warte, bis es so heiß ist wie du es haben möchtest.
- Ansonsten kannst du den Topf mit dem Wasser auch auf dem vorhandenen Gasherd erhitzen – allerdings solltest du weise erwägen, ob du wirklich Gas verschwenden möchtest.
… Geschirr spülen?
Dazu verwenden meine Tante und mein Onkel je ein rotes und ein weißes Plastikwännchen. Dann geht es wie folgt weiter:
- Wärme eine ausreichende Menge Wasser auf.
- Wische den groben Dreck mit einem Blatt Küchenpapier zunächst in den Bio-Eimer
- In der roten Wanne wird vorgespült – ganz regulär mit Spülmittel etc.
- In der weißen Wanne wird klar abgespült
Das Gespüle ist so aufwendig, dass du automatisch anfängst, jede Art von überflüssiger Geschirrverschwendung zu vermeiden! Kaffeetassen und Trinkgläser lassen sich z.B. spielend einen ganzen Tag verwenden. Eigentlich bin ich wirklich empfindlich, wenn es um Geschirrhygiene geht, aber wenn du einige Male auf diese Weise gespült hast, vergeht es dir vollautomatisch, stets auf frische Trinkgefäße zu bestehen.
… auf die Toilette?
Ein Bild sagt mehr als 1.000 Worte:
Eigentlich wollte ich das Bild für sich stehenlassen, aber ich muss das einfach erzählen! ICH hab nämlich eine Psychoblase.
Muss ich Zuhause nachts nie „raus“, weiß ich ganz genau, dass meine Blase DORT jeweils gegen 03.30 Uhr darauf besteht, noch einmal zu müssen. Und geh mal um diese Uhrzeit da raus – die einzigen Geräusche sind die des Windes und diverser Tiere, die wahlweise die Äste unter ihrem Schritt knacken lassen oder anderweitig höchst dubiose Geräusche von sich geben.
Moah! Da bin ich richtig Mädchen.
… ein wenig Körperhygiene?
Es gibt kein Badezimmer. Wozu auch, es gibt schließlich noch nicht einmal fließendes Wasser. Es gibt im Haus altertümliche Waschschüsseln, die Zähne putzt du dir draußen mit eiskaltem Seewasser aus dem eigens aufgefüllten Wassertank. Aber manchmal muss es etwas mehr sein als die Katzenwäsche…
Dafür gibt es eine Sauna (in Schweden heißt das übrigens bastu – „bastü“ ausgesprochen). Hier steht sie auf Pfosten und der Boden besteht aus Latten mit Zwischenräumen (wie bei einer Holzdielenterrasse), so dass das Wasser, das du beim Waschvorgang in der Sauna verspritzt, abfließt.
Willst du die Sauna nutzen, musst du den Ofen zunächst gut einheizen. Am Saunaofen ist ein Wassertank integriert, so dass das darin enthaltene Wasser sich in einem Zuge mit dem Ofen selbst erhitzt. Allerdings musst du das Wasser natürlich zunächst einmal vom See mit Eimern in die Sauna bringen…
Und das soll Urlaub sein?
Wir fassen zusammen: Alles, aber wirklich alles, bedarf mehr Vorarbeit als nur einen Schalter zu drücken oder einen Hahn oder Ventil zu öffnen.
Ich weiß nicht, ob du uns verstehst, aber trotz all dieser „Erschwernisse“ ist das für uns der reinste Luxus.
Eben festzustellen, dass wir eigentlich nicht viel brauchen, um glücklich und zufrieden zu sein. Dass die Abwesenheit, der im Alltag gewohnten Einflüsse von außen, tiefe Entspannung über uns bringt. Auch das Wissen, dass wir es können – ob nun Feuer machen oder mit einem Plumpsklo und ohne echtes Bad zu sein, etc. pp.
Zu spüren, wie gut es tut, dass wir uns genau damit wohlfühlen.
Alles reduziert sich auf das Wesentliche – bislang leider nur auf Zeit. Unser Wunsch: Mehr davon. Viel mehr.
2 Antworten
Plumpsklo aufsuchen, nachts im Winter bei – 20° und 1,5 m Schnee, auch ein Erlebnis!
Oooohh jaaaa… Das kann ich mir vorstellen, Morsi. <3