Winter-Lektion #3: Was mich die dunkle Zeit lehrte

Januar 2025, die Kälte draußen beißt ein bisschen, aber hier drinnen im Häuschen, da ist es gemütlich. Der gusseiserne Ofen knistert und schickt angenehme Wärme in jeden Winkel, Kerzen sorgen für schummriges Licht. Liest sich toll, oder? Und doch lernte ich in dieser Zeit eine neue Herausforderung kennen: Das Licht. Oder besser: das Fehlen von Licht – die Dunkelheit.

Der zirkadiane Rhythmus: unterdrücktes Erbe

Die meisten von uns haben glasklar vergessen oder vielleicht sogar noch nie erlebt, was es heißt, im Einklang damit zu leben. Unser zirkadianer Rhythmus – die innere Uhr der Menschen, die über Jahrtausende vom Sonnenlicht gesteuert wurde, ist durch elektrisches Licht, Bildschirme und sonstige unnatürliche Stimulation aus dem Takt geraten.

Als wir uns nun das erste Mal in unserem Leben die dunkle Zeit in Lappland erlebten, wurden wir so ziemlich zurück in diesen Ur-Rhythmus gebeamt, denn ohne elektrisches Licht, Fernsehen und Co. geschieht das quasi ganz von selbst. Und nach und nach folgst du automatisch dem uralten Takt:

  • Zur Ruhe kommen, sobald es dunkel wird, einfach weil dein Körper so reagiert, es gefühlt sogar einfordert. 
  • Recht spät wach werden mit den ersten helleren Lichttönen des Tages, auch wenn dich trotz der späteren Urzeit das Gefühl zunächst nicht loslässt, dass es unanständig früh am Morgen ist.

  • Möglichst aktiv sein, so lange die Fitzel Tageslicht es zulassen.

Erstaunlich, wie der Körper dann doch noch instinktiv auf das alte Programm umschaltet!

Dunkelheit im Winter - viele Kerzen spenden Licht

Dauerhaft Weihnachtsstimmung?

Anfangs ist es das ein echtes Abenteuer, es flackern die Kerzen, die batteriebetriebenen Lichterketten und die über USB aufgeladenen LED-Lampen zaubern ein sanftes Licht, das gibt so eine Extra-Ruhe im Körper. Alles in allem fühlt sich das an wie dauerhaft Weihnachten. Wie romantisch, dachte ich – am Anfang.

Ich hab fasziniert beobachtet, wann es hell und wann es dunkel wird, immer mit dem Blick auf die Uhr, und Vergleiche mit Deutschland angestellt. Schon spannend, dachte ich – am Anfang.

Bis du merkst, dass dieses gelbliche Licht kein Leselicht ist und dass die Augen nach einer Stunde mit dem Buch vor der Nase Buch brennen wie Feuer. Dass du dich selbst mit einer richtig guten Stirnlampe ständig fühlst wie auf Arktis-Expedition. Und dann verstehst du plötzlich, warum unsere Vorfahren mit den Hühnern ins Bett gingen: Nicht aus Langeweile und nicht nur, weil sie von der damals in der Regel harten Arbeit körperlich erschöpft waren, sondern auch, weil es wenig vernünftige Alternativen dazu gab.

Um noch einmal den Vergleich mit der dauerhafte Weihnachtsstimmung aufzugreifen: Auch in Deutschland freue ich mich immer ein wenig, wenn ich nach Neujahr die gesamte Besinnlichkeit wieder in den Karton packen und für die nächsten 11 Monate wieder auf den Speicher verbannen kann.

Strom und Licht als kostbare Ressource

Das Solarpanel? Ein Stück Technik, das bei so viel Dunkelheit und ganz ohne echte Sonne keinen Mucks mehr von sich gibt. Jeder gespeicherte Fussel Strom wird zur wertvollen Mangelware. Du lädst nicht einfach „mal schnell“ dein Laptop – du wägst ab: Eine Stunde Arbeit am Computer oder eine Ladung Strom für die LED-Lampe? Was ist jetzt wichtiger?

Es ist ein seltsames Gefühl: In einer Welt, in der du sonst völlig selbstverständlich einfach den Lichtschalter drückst, überlegst du dir auf einmal sehr genau, wie viel Licht du diesen Abend wirklich noch brauchst.

Auch solche Kleinigkeiten wie das Einkaufen fahren, folgte dem wenigen Tageslicht. Noch vor der Dämmerung eilte ich  die 3 km zum Auto und bei erstem Licht über eine Stunde nach Jokkmokk zu fahren, durch die Geschäfte zu hasten, um möglichst nicht wieder erst im Stockdunklen zurück zu sein. Diese typischen mordmäßigen Scheinwerfer haben wir nämlich nicht an unserem Auto und dann macht die dunkle Zeit in Kombi mit Eis und Schnee auf der Fahrbahn das Fahren unsicherer. Wer weiß, was da alles plötzlich über die Schotterpiste huschen kann. Entsprechend habe ich die Mahlzeiten und die restlichen Bedarfswaren so eingekauft, dass dieser Trip tunlichst nur alle 2-3 Wochen angetreten werden musste.

Und ja, manchmal hasste ich diese Dunkelheit und die dauerhafte Strom-Sparerei! Einmal hat es mich sogar so genervt, dass ich mich ins Bett verkrochen habe und die Tränchen kullern ließ. 

Irgendwann kommt der Punkt, da entwickelst du keine Strategien mehr – du wirst eins mit dem Rhythmus (außer an besagten Einkaufstagen):

  • Du schläfst, wenn dein Körper es verlangt.

  • Den Wecker brauchst du nicht, dein Körper weckt dich. 

  • Ruh dich aus, wenn alles zu viel wird und nimm, damit deine Seele hübsch plüschig bleibt – SAKRA! – regelmäßig dein Vitamin D3 (mit K2 selbstredend).

  • Du bist mehr im Hier und Jetzt, denn die Welt kreist auch weiter, wenn du nicht ständig die (derzeit meist eh unguten) Nachrichten checkst. 

Wenn die Sonne endlich wieder scheint

die dunkle Zeit - wunderschöner Himmel

Wenn die ersten Strahlen dann irgendwann Anfang Februar endlich über den Horizont kriechen und nach und nach die dunkle Zeit vertreiben, atmest du auf und lehnst dich, wie ein Gecko, der Sonne entgegen, schließt die Augen und merkst die Helligkeit auf deiner Haut. Das war bei uns exakt am 8. Februar der Fall.

Und doch hat die lange, intensive Dunkelheit mich gelehrt, was wir in unserer elektrischen Welt vergessen haben: Dass das Leben im Einklang der Rhythmen, für die wir eigentlich gebaut sind, unendlich viel Ruhe und Wohlbefinden in unseren Körper bringen, wenn du dich erst einmal daran gewöhnt hast. Aber auch, dass Licht bzw. Strom nicht selbstverständlich ist.

Meine Winter-Lektion #3: definitiv die dunkle Zeit.

 

P.S. Ich kaufe nie wieder warmweiße Lichterketten. Ich brauche kaltweiß!

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