Die Nacht draußen

Fuchs und Hase „Gute Nacht“ sagen

Eigentlich wollte ich heute über trockeneren, aber dennoch wichtigen Stoff schreiben – wie zum Beispiel zum Thema, wie wir das mit dem Strom bis hierher gelöst haben oder über das Abteilen eines Grundstücks in Schweden mit Lantmäteriet. Aber allein das Grübeln über die Formulierung solcher Texte hat mich gestern Nacht wertvolle Schlafminuten gekostet (ja, das ist gar nicht so einfach!) und irgendwie bin ich im Sonntagsmodus, da ist mir nicht nach  seriösen Dingen. 

Dann ist mir eingefallen, dass ich im Nachgang zum Bericht über den Bettenbau noch ein feines Anekdötchen in petto habe – daher servier ich das heute. 

Die Sache mit dem Fußboden

Ende August waren wir zum ersten Mal in unserem nagelneu gebauten Haus. Neu wie das Haus war natürlich der Dielenboden – und so lange der nicht in irgendeiner Form versiegelt war, war der weich und ist ultra empfindlich. Daher konnten wir bei unserer Erstbegehung auch nur auf sauberen Socken durchhuschen, um nicht für alle Ewigkeit Flecken darauf zu haben. 

Nach ausführlicher Informiererei hatten wir uns dazu entschlossen, zum Versiegeln Hartwachsöl der Firma Osmo zu verwenden, in der Turbo-trocken-Version. Das Öl hatten wir vorab in Deutschland erworben, im Auto mit nach oben transportiert und es war beschlossene Sache, dass ich zeitnah nach Ankunft mit dem Streichen beginnen würde. 

Die Trocknungszeit sollte pro Streichdurchgang 3 Stunden betragen, daher startete ich am Vormittag. Das Öl musste zweimal gestrichen werden, aber bei der kurzen Trocknungszeit sollten wir abends dennoch einziehen können. Jippie, denn schließlich konnten wir bis dahin nichts ins Haus tragen, alles, was wir mitgebracht hatten (siehe dazu den Text: Kofferraum-Tetris) lag in wüstem Durcheinander auf der überdachten Veranda gestapelt!

Das Streichen an sich ging geschmeidig, mit dem Öl lässt sich wirklich gut arbeiten. Leider hab ich streckenweise nicht genau hingeschaut, das muss ich eventuell irgendwann noch nacharbeiten – dafür kann Osmo jedenfalls nichts.

Fertig! Jetzt musste die Pracht nur zügig trocknen. Express halt.

Tat sie aber nicht!

Ob ich zu dick aufgetragen hatte, es zu kalt oder die Luftfeuchtigkeit im Haus zu hoch war, keine Ahnung. Da wir nicht rein und raus konnten, konnten wir auch den Ofen nicht feuern, was eine gute Unterstützung hätte sein können. Spielt auch keine Rolle, jedenfalls war der Boden am Abend, nach mehr als 6 Stunden, noch zu restklebrig, um ins Haus zu ziehen. 

Wildromantische Nacht!

Daher beschlossen wir, die Nacht draußen auf der Veranda zu verbringen. Da lagen wir nicht auf dem nackten Erdboden und hatten zumindest ein Dach über dem Kopf.

Wir rollten unsere Matratzen aus, legten die Schlafsäcke darauf. Die sind natürlich, wie auch unser Zelt damals, clever von Harald gewählt, da würden wir selbst bei diesen kalten Herbstnächten nicht frieren. 

In Summe waren wir ganz schön aufgekratzt angesichts dieses Abenteuers, fühlten uns ordentlich verwegen. Wann hast du denn sowas zuletzt gemacht? 

Und wildromantisch war es darüber hinaus irgendwie.

Wir kuschelten uns auf unser Lager, LED-Akku-Lämpchen an, ein Gläschen Wein dazu – der Hund selbstredend zwischen uns, wo sonst. 

Das Lager für die Nacht auf der Veranda
Foto vom Lager am nächsten Morgen

War es wirklich wildromantisch?

Mit den jährlichen Urlauben hatte ich mich bereits dran gewöhnt, nachts zum Plumpsklo zu gehen, selbst wenn es stockdunkel war. Unvergessen natürlich der Zwischenfall, als ich einmal nachts um halb vier die Haustür öffnete und mich die reflektierenden Augen und die blinkenden GPS-Antennen eines fremden Hundes fast zu Tode erschreckt haben. Meine Lösung damals: Einfach schnell die Haustür wieder zuwerfen und den Druck auf der Blase für den Rest der Nacht verdrängen. War nicht leicht. 

Jetzt waren wir aber die gesamte Nacht draußen. 

Es knackste und knirrschte, Geräusche, die sich, da fremd, nicht zur Entspannung dechiffrieren ließen. Aber so lange der Hund schlief und der Mann leise vor sich hinschnorchelte, sah ich keine Gefahr.

Dennoch wälzte ich mich lange hin und her, konnte nicht einfach in den Schlaf finden.

Da sagen sich nicht nur Fuchs und Hase "Gute Nacht"

Denn ziehen wir es mal glatt: Da oben sagen sich neben Fuchs und Hase auch Bär, Luchs, Vielfraß und anderes Getier „Gute Nacht“. 

Ich wälzte mich weiter.

Außerdem wurde mir jetzt kalt. Zumindest um die Nase. An den mit 3 Paar Socken bewehrten Füßen war mir hingegen mehr als warm. 

Scheiße.

Der schnarchende Hund fühlte sich ebenfalls etwas kühl an beim Ankuscheln. Also deckte ich sie liebevoll mit einem riesigen Frotteehandtuch zu, das ich zwischen den Taschen herziehen konnte.

Wertschätzung für mein liebevolles Tun erfuhr ich nicht, der Hund schnarchte weiter. 

Zwischendurch erwog ich, Harald zu wecken. Schließlich war ich mir ziemlich sicher, dass das mit der Übernachtung auf der Veranda seine dämliche Idee gewesen war. Jedenfalls war mittlerweile jegliche Romantik und Abenteuerlust bei mir verpufft. 

Ach ja.

Keine Ahnung, wie lange ich mich noch unzufrieden gewälzt habe, aber irgendwann bin ich doch eingeschlafen.

Am Morgen danach

Die Nacht war unter diesen Umständen schnell zu Ende. Sehr früh am Morgen wachte ich auf.

Harald war schon wach, gut, er hatte ja seelenruhig geschlafen!

Mit feurigen Augen sah er mich an: 

„Mensch, war das nicht toll? Was für ein A-ben-teu-er! Wahnsinn, wer darf sowas schon erleben?“

DARF? Ich gähnte und rieb mir die Augen, zu müde, um ihm zu widersprechen. Ich brauchte dringend Kaffee, aalte aus dem Schlafsack und versuchte, auf die Füße zu kommen.

„Und hast du gehört, wie der Hund mitten in der Nacht fies geknurrt hat? Da war bestimmt was da draußen. Vielleicht sogar ein Bär? Boah!“

Hä? Geknurrt? Der Hund?

Es dauerte ein paar Sekunden, bevor ich mich dunkel im hintersten Eck meines Gehirns an einen kleinen Tumult erinnerte. Das hatte ich wohl ein wenig verschlafen, war zu weit weg im Träumeland. Darf man nicht zugeben, fand ich, daher stimmte ich ihm wild nickend zu. 

Ja, so war das damals.

Retrospektiv

Im Nachhinein betrachtet war es wirklich ein Abenteuer. Harald würde jetzt erst recht gerne einmal zelten gehen. Mitten im Nichts.

Und weißt du was? Ich auch.

Bestimmt.

4 Antworten

  1. Mein erster Gedanke: Watt? Annika? Draußen pennen??? Da könnte doch ne Haselmaus angreifen! Ein Eichhörnchen schwedisch piepsen! Von der üblichen schwedischen Großfauna mal ganz zu schweigen!

    Also: R!E!S!P!E!C!T!

    Echt jetzt!

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